Dieselland: Noch Anfang der 1980er-Jahre ist der Diesel-Pkw eine Seltenheit auf Deutschlands Straßen. Erst Neuentwicklungen wie der Turbolader und die Direkteinspritzung sorgen für einen Imagewandel. Im Jahr 1994 macht das Dieselprivileg den Selbstzünder dann auch finanziell attraktiver: Seither liegt der steuerliche Vorteil pro Liter Diesel konstant bei rund 18 Cent, wegen des Nachteils bei der Kraftfahrzeugsteuer profitieren davon vor allem Vielfahrer. Wenige Jahre später beendet der Rußpartikelfilter endgültig das Nischendasein. Es folgt ein beispielloser Dieselboom. Der Selbstzünder wird von deutschen Autobauern als sparsam, sauber und zukunftssicher beworben. Noch im Januar 2015 haben die meisten neu zugelassenen Pkw einen Dieselmotor.
Dieselskandal: Ende 2015 liefern sich Diesel und Benziner bei den Neuzulassungen weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen, inzwischen ist fast jedes dritte Auto auf deutschen Straßen ein Selbstzünder. Auch die Abgasaffäre in den USA ändert daran zunächst wenig: Noch im November 2015, zwei Monate nach dem Rücktritt von VW-Chef Martin Winterkorn, übersteigt die Zahl der Diesel-Neuzulassungen jene der Benziner. Anfang 2016 startet VW dann den angekündigten Rückruf von 2,4 Millionen deutschen Schummeldieseln, wenig später legen die Benziner im Vergleich zum Vorjahr ungewöhnlich stark zu – der Niedergang des Diesels beginnt, zunächst schleichend.
Debatte um Verbote beschleunigt Niedergang
Dieselverbote: Nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe regt das Verwaltungsgericht Düsseldorf im September 2016 erstmals Fahrverbote für ältere Diesel an, in Stuttgart fällt im August 2017 ein ähnliches Urteil. Später bestätigt das Bundesverwaltungsgericht die Urteile. Was folgt, ist ein historischer Einbruch bei den Neuzulassungen. Davon profitieren vor allem Benziner - offensichtlich besinnen sich in der Krise die meisten Deutschen auf Altbewährtes. Hybrid- und Elektroautos legen zwar ebenfalls kräftig zu, allerdings bleibt ihr Anteil an den Neuzulassungen verschwindend gering.
Das erste Fahrverbot tritt schließlich am 31. Mai 2018 in Hamburg in Kraft. Wenig später wird bekannt, dass nach VW, Audi und Porsche auch Daimler Motoren mit illegaler Abschalteinrichtung verbaut hat. Der vorläufige Höhepunkt des Dieselskandals folgt nur eine Woche später: Mit Audi-Chef Rupert Stadler nehmen Ermittler erstmals den amtierenden Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Autobauers fest.
Auf welchen Antrieb die Deutschen setzen
Ist der Diesel also am Ende? Nicht ganz. Der Ottomotor – noch vor ein paar Jahren auf dem Rückzug – konnte zwar bei den Neuzulassungen kräftig zulegen und den Aufstieg des Selbstzünders stoppen. Doch noch hat jeder dritte Pkw einen Dieselmotor unter der Haube. Die Karten zeigen, mit welchem Antrieb die Autofahrer in Deutschland unterwegs sind (Pkw-Bestand in Kreisen und kreisfreien Städten, Stand: Januar 2018).
Diesel
In alten Bundesländern ist der Dieselanteil in der Regel höher als im Osten, mit bis zu 47 Prozent liegen die ländlich geprägten Regionen Südoldenburg und das Emsland sowie der Eifel- und Hohenlohekreis vorn - gefolgt von Frankfurt am Main mit 43 Prozent. Insgesamt erfüllen weniger als ein Viertel der Diesel-Pkw die Abgasnorm Euro 6, besonders gering ist ihr Anteil im Wendland und im nördlichen Schleswig-Holstein.
Benzin
Der Osten ist Benzinerland, Frankfurt an der Oder dessen Hauptstadt: Dort steckt in mehr als drei Viertel der Autos ein Ottomotor. Halle (Saale) und der Kreis Görlitz sind ebenfalls Benzinhochburgen. Einen ähnlich hohen Benziner-Anteil gibt es im Westen nur im Ruhrgebiet in Bottrop und Herne. Im Saarland und in der angrenzenden Pfalz sowie südlich von Hannover halten Autofahrer dem Benziner ebenfalls die Treue.
Hybrid und Elektro
Ausgerechnet dort, wo die Schummeldiesel herkommen, ist der Anteil der Hybrid- und Elektroautos am höchsten: Ingolstadt (Audi) liegt mit 2,7 Prozent vorn, gefolgt von Wolfsburg (VW, 1,5 Prozent) und Stuttgart (Daimler und Porsche, 1,3 Prozent). Audi nennt als Grund unter anderem eine Hybrid-Testflotte, die am Unternehmenssitz zugelassen ist. Bei den reinen Elektroautos (53.861) landet überraschend eine ländliche Region auf Platz zwei hinter Wolfsburg: Im Kreis Rhön-Grabfeld befindet sich mit Bad Neustadt "Bayerns erste Modellstadt für Elektromobilität".
Gas und Sonstige
Bei den Neuzulassungen konnten in der Dieselkrise vor allem Autos mit Erdgasantrieb zulegen. Flüssig- und Erdgas ist günstiger und verbrennt sauberer als Benzin und Diesel. Ihr Anteil am Gesamtbestand bleibt dennoch gering, zwischen 2014 und 2018 ist er sogar geschrumpft. Bei den Großstädten liegt Duisburg mit 2,4 Prozent vorn, noch beliebter ist der Kraftstoff am Niederrhein (bis zu 3,8 Prozent); in den benachbarten Niederlanden hat Autogas eine lange Tradition. Ebenfalls auffällig ist der hohe Gasanteil im Wendland. Die Heimat der Anti-Atomkraft-Bewegung gilt heute als Biogas-Vorreiter.