Die Wölfe kommen näher: 73 Rudel, 30 Paare und drei einzelne Tiere, die mittlerweile in Deutschland sesshaft sind, haben die Bundesländer für das abgelaufene Wolfsjahr 2017/18 bestätigt. Das sind allein 13 Rudel mehr als im Jahr zuvor. Wie viele Wölfe hier wirklich leben, kann keiner genau sagen. Der Deutsche Jagdverband spricht von Tausend Tieren, der Bauernverband von 1200, und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hält es nicht für möglich, eine konkrete Gesamtzahl zu nennen. Denn die Rudelgröße schwankt im Verlauf des Jahres.
Sicher ist nur: Es werden mehr. Die Behörden haben bereits mehrere komplett neue Gebiete für die aktuelle Saison ausgemacht. Danach haben sich Wölfe erstmals in drei weiteren Bundesländern angesiedelt:
- Seit dem 1. Oktober gibt es am Niederrhein rund um Schermbeck offiziell das erste Wolfsgebiet in Nordrhein-Westfalen.
- In Baden-Württemberg ist nun offenbar eine Wölfin (Fähe) im Nordschwarzwald sesshaft geworden.
- Auch Rheinland-Pfalz vermutet, dass eine Wölfin erstmals ihren Wohnsitz in dem Bundesland gefunden hat - auf dem Truppenübungsplatz Daaden/Steegsdorf.
Mit der Verbreitung wachsen Urängste und Interessenkonflikte
Damit hätten Wölfe nun in zehn Bundesländern wieder ihre Heimat. Hinzu kommen etliche Gegnen, in den der Wölfe bereits zweifelsfrei unterwegs sind - aber noch nicht klar ist, ob auf der Durchreise oder um heimisch zu werden. So sollen durch das südliche Schleswig-Holstein laut Landesumweltamt drei bis vier einsame Wölfe umherziehen. Und auch in Ostthüringen wurde kurz vor Weihnachten ein neuer Wolf bestätigt. Nach wie vor leben die meisten Wölfe in Brandenburg, gefolgt von Sachsen. Dort, in der Muskauer Heide, hatte im Jahr 2000 ein Wolfspaar Welpen in Freiheit bekommen - erstmals wieder seit der Ausrottung vor gut 100 Jahren. Seit ihrer Rückkehr verbreiten sich Wölfe von der Lausitz aus hauptsächlich in einem nach Nordwesten reichenden Korridor.
Wurde die Geburt von Wolfswelpen anfangs vor allem als Sensation für den Artenschutz wahrgenommen, so wachsen mit der Verbreitung Urängste - und der Interessenkonflikt zwischen Naturschützern auf der einen Seite sowie Bauern und Jägern auf der anderen. Für die einen ist Canis Lupus der Stellvertreter einer heilen, unberührten Natur in Deutschland. Vor allem für Weidetierhalter ist er schlicht der böse Wolf. Sie fürchten um ihre Bestände.
Wann der Wolf gefährlich ist - und wer ihm gefährlich wird
Die Angst vor Angriffen auf die Herden ist nicht unbegründet und entsprechender Schutz nötig. Seit der Wiederkehr des Wolfes haben die Behörden fast 2000 Vorfälle gezählt. Und diese Zahl ist rasant mit der Ausbreitung der Wölfe gestiegen. Wurden 2014 erstmals mehr als 100 solcher Angriffe auf Nutztiere gemeldet, sind es allein in diesem Jahr bis zum Herbst schon fünfmal so viele. Meist trifft es Schafe.
Doch die Nähe zum Menschen ist für Wölfe mindestens genauso gefährlich. Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland 286 Wölfe tot aufgefunden worden. Nur wenige davon (25) sind natürlich gestorben. Dreiviertel aller Tiere wurde bei Verkehrsunfällen getötet, meist starben dabei Welpen oder Jungwölfe auf den Straßen. Jeder achte der toten Wölfe (35) war schließlich Opfer illegaler Abschüsse. Der Naturschutzbund Deutschland vermutet eine viel höhere Dunkelziffer. Dabei sind Wölfe durch EU-Regelungen und das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Zum legalen Abschuss von Problemwölfen kam es bislang erst dreimal.
"Wölfe fressen keine Menschen"
Jäger und Bauern wollen die Regeln nun lockern und finden Gehör in der Politik. So fordert die Bundestagsfraktion der Union in einem Positionspapier "wolfsfreie Zonen", in denen die Raubtiere leichter abgeschossen werden können. Mit ähnlichem Ziel hat das Land Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, der sich bereits Sachsen und Brandenburg angeschlossen haben. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) lehnt dagegen eine präventive Bejagung strikt ab und fordert vor allem einen besseren Herdenschutz - auch vorausschauend für potenzielle Wolfsgebiete.
Abgesehen von Angriffen auf Nutztiere schätzen Experten die unmittelbare Gefahr hierzulande als gering ein. "Wölfe fressen keine Menschen", sagt Markus Bathen vom NABU. "Niemand muss Angst haben, in den Wald zu gehen." In Deutschland gab es seit der Wiederansiedlung nachweislich noch keine einzige Wolfsattacke auf Menschen. Laut einer weltweiten Studie des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) sind solche Angriffe auch historisch äußerst selten und haben drei Ursachen: Provokationen, Füttern der Tiere und in den weitaus meisten Fällen Tollwut.
Die Viruserkrankung gilt seit 2008 als ausgerottet in Deutschland und dass Wölfe bewusst provoziert werden, sehen Experten als geringes Risiko. Bleibt das Füttern als größte Gefahr. So warnt das Kontaktbüro "Wölfe in Sachsen", dass die Raubtiere dadurch immer wieder die Nähe von Menschen suchen würden. Bleibt dann das Futter aus, dann könne das dazu führen, dass Wölfe "aufdringliches, dreistes und aggressives Verhalten" entwickeln. Damit sind sich zumindest beide Seiten - Naturschützer und Tierhalter - einig: Wolf und Mensch sollten sich besser aus dem Weg gehen.